Angela Gutzeit im Gespräch mit der
Slawistin und Journalistin Karla Hielscher über folgende
Bücher:
1.) Swetlana Alexijewitsch: "Die letzten Zeugen" - Kinder im
Zweiten Weltkrieg (Aufbau Taschenbücher)
2.) Wladimir Gelfand: "Deutschland-Tagebuch 1945-1946" (Aufbau Verlag)
Heute, am 28.
April vor 60 Jahren, waren es nur noch wenige Tage bis zum Ende des Zweiten
Weltkrieges.
Truppen der Roten
Armee hatten in Berlin bereits die Spree überschritten und immer noch gab es
Kämpfe in den Außenbezirken der Reichshauptstadt. Am 2. Mai kapitulierte
Berlin, am 8. Mai willigte das besiegte Nazideutschland in die vollständige und
bedingungslose Kapitulation ein. Von Bombardierung deutscher Städte, von
Vertreibungen und den letzten Tagen im Führerbunker haben wir in den
vergangenen Monaten bereits sehr viel gehört.
Wenden wir uns
anlässlich des nahenden 8. Mai einmal der Siegerseite zu, deren Sieg durch
viele Millionen Tote schwer errungen war, den Soldaten und der Bevölkerung der
ehemaligen Sowjetunion.
Im Studio begrüße
ich die Slawistin, Buchautorin und Journalistin Karla Hilscher. Wir wollen über
zwei Bücher sprechen.
Beide sind im
Aufbau Verlag erschienen. Das eine von Svetlana Aleksejewitsch widmet sich den
Kindern in Weißrussland und trägt den Titel »Die letzten Zeugen, Kinder im
Zweiten Weltkrieg«. Das andere ist ein Tagebuch von einem Schreiber, der uns
bislang noch nicht bekannt war, Wladimir Gelfand, »Deutschlandtagebuch 1945 bis
1946, Aufzeichnungen eines Rotarmisten«.
Karla Hilscher,
wer war Wladimir Gelfand? Wir haben von ihm noch nichts gehört bislang.
Der Wladimir
Gelfand war ein Leutnant der Roten Armee, also ein einfacher Soldat. Er stammt
aus einer jüdischen Familie aus der Ostukraine und er hat also den ganzen Krieg
ab 1942 auch an der Front mitgemacht.
Dieses Tagebuch
schildert nun den ganzen Kampf um Berlin und das erste Nachkriegsjahr, also von
Januar 1945 bis September 1946.
Wann wurde
Gelfand geboren?
Er ist Jahrgang
1923.
1923, stammt aus
einer jüdischen Familie.
Die
Aufzeichnungen wurden von Gelfands Sohn Vitali der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht und ausgewählt und kommentiert von der Historikerin Elke Schestianoi.
Gelfand war ein
geradezu fanatischer Tagebuchschreiber, wird uns wenigstens im Vor- und
Nachwort nahegebracht. Er hatte 1983, als er starb, einen ganzen Koffer voll
von Aufzeichnungen hinterlassen.
Dieses Buch ist
also, Karla Hilscher, eine Auswahl, anders kann es auch gar nicht sein. Was
würden Sie sagen, nach welchen Kriterien, wie ist das zusammengestellt worden,
weil es ist ja nicht nur Tagebuch?
Ja, ich denke,
man muss schon sagen, dass das sehr auch sehr seriöse, eigentlich sogar
wissenschaftliche Weise von der Historikerin Elke Schestianoi gemacht worden
ist. Die hat ja auch gerade eine riesen Dokumentation von Briefen von
Rotarmisten aus Deutschland publiziert und ich denke, sie hat das sehr
gewissenhaft ausgewählt und kommentiert.
Es sind große
Teile des Tagebuchs, also aus diesen anderthalb Jahren, aber es sind auch
Briefe an die Eltern, an Freunde miteingefügt und außerdem auch Eingaben an
Vorgesetzte.
Was glauben Sie,
warum das jetzt erst rausgekommen ist? Das lag, glaube ich, an seinem Sohn
Vitaly, der sich irgendwann mal entschlossen hat, das rauszubringen.
Das weiß ich
jetzt nicht so genau, aber der Vitaly ist ja erst 1995 aus Russland nach
Deutschland gekommen, nach Berlin und hat offensichtlich dann Kontakt mit dem
Institut für Zeitgeschichte, wo die Elke Schestianoi arbeitet, gekriegt.
Und man hat also
diese Ausgabe geplant, die wirklich eine ganz interessante, authentische
Perspektive mit einer völlig anderen Sicht auf diese verrückte Umbruchszeit
gibt.
Kriegsende in
Berlin. Die Russen kommen, hieß es damals, angstvoll. Man befürchtete ja nicht ohne Grund
Racheakte und die Nazis haben damit auch noch ordentlich Propaganda betrieben
vorher. Was folgte, ist durch viele Familienerzählungen, daran erinnere ich
mich selbst auch in meiner Berliner Familie, in Tagebüchern von deutschen
Frauen und anderen Quellen ist das alles verbirgt. Russische Soldaten begingen sexuelle
Gewaltorgien gegen Frauen und Mädchen. In Gelfands Buch wird das nicht verschwiegen,
aber auch nicht, wie ich finde, in seiner ganzen Dimension thematisiert.
Das ist ja ein
ganz subjektives, ganz privates Tagebuch. Also man darf nicht vergessen, das
ist ein junger Mensch von 22 Jahren, der natürlich im Krieg schon vieles und
Schreckliches erlebt hat, aber eigentlich ein unglaublich neugieriger,
unternehmungslustiger Mensch. Und ja, eigentlich muss man sagen, dass dieses Tagebuch auch das
erotische Tagebuch eines jungen Mannes ist, der so seine ersten Erfahrungen
macht. Und das ist natürlich ganz, ganz wichtig, dass er nie so Gewalt ausgeübt
hat, sondern eher auf der Suche nach der großen Liebe sich eigentlich zu so
einem Schürzenjäger entwickelt hat, der mit vielen deutschen Frauen Kontakte
hatte. Aber es ist ganz klar, dass da nie Gewalt im Spiel war.
Vielleicht lese
ich mal so gerade eine Textstelle. „…Ich hätte gern die Zärtlichkeiten der schönen
Marianne in vollen Zügen genossen. Küsse und Umarmungen allein waren nicht
genug. Ich hatte mir mehr erhofft, wollte sie jedoch nicht drängen. Ihre Mutter
ist mit mir zufrieden. Wäre ja auch noch schöner, schließlich hatte ich auf dem
Alltag für vertrauensvolle und wohlwollende Beziehungen Lebensmittel,
Süßigkeiten, Butterwurst und teure deutsche Zigaretten niedergelegt…“ Also man
sieht, er hat sogar Kontakt mit der Mutter.
Da muss man
vielleicht auch nochmal sagen, es gibt ja eine Stelle, wo er durchaus das
thematisiert, dass es Vergewaltigungen und auch Massenvergewaltigungen gegeben
hat. Und es ist so gewesen, dass eine junge Frau und deren Mutter ihn anflehen,
dass er sie zu seiner Geliebten macht, weil das dann sie schützen würde vor
Vergewaltigungen durch andere. Also der Wladimir war ein neugieriger,
unternehmungslustiger junger Mann.
Ach, das ist
vielleicht wichtig zu sagen. Er hatte große Ambitionen. Er wollte nämlich
Schriftsteller werden.
Und das ist auch
ein Grund, weshalb er so intensiv Tagebuch geführt hat und alles gesammelt hat.
Und das ist auch interessant. Einerseits ist das ein sehr subjektives,
privates, direkt auch intimes Tagebuch.
Manchmal aber
gibt es so ganze Stellen, die sehr pathetisch sind, wo man so merkt, da will er
seine literarischen Fähigkeiten schulen. Er ist übrigens nie Schriftsteller
geworden. Zu dem großen Kriegsroman, den er schreiben wollte, ist es dann auch
nie gekommen.
Ist es offensichtlich
nie gekommen. Da hatte er sich vielleicht ein bisschen überschätzt.
Würden Sie sagen,
dass das Tagebuch viel offenbart über den damaligen Kontakt zwischen Siegern
und Besiegten im besetzten Berlin?
Doch, das denke
ich schon.
Das Interessante
ist ja auch, Wladimir Gelfand arbeitet in so einer Trophäenbrigade. Er ist bei
der Demontage und beim Abtransport von Demontagegütern beschäftigt. Das gibt
ihm die Möglichkeit, sehr viel zu verreisen und sehr viel unterwegs zu sein.
Und er ist ein
ganz schöner Hallodri gewesen. Man merkt, der hat sich sehr oft von der Truppe
entfernt. Er ist alles andere als ein disziplinierter Leutnant gewesen und
hatte deshalb häufig auch Schwierigkeiten.
Wo Sie jetzt
gerade sagen, Hallodri, es soll jetzt nicht plump klingen. Aber ich hatte bei
der Lektüre mir gedacht, der Mann hat ja so viel erlebt, auch an Kriegsgräuel.
Er war seit 1942 kämpfender Soldat.
Er war bei
Stalingrad im Einsatz. Er war Jude, hatte irgendwann mal erfahren, dass ein
Teil seiner Familie väterlicherseits im Holocaust umgekommen ist. Und was tut
er in Berlin? Er lässt sich Dauerwellen legen, er lässt sich in Dandy-Pose
fotografieren, er flirtet mit den Mädchen.Wie ist das zu verstehen? Als
Erleichterung?
Ja, das denke ich
schon. Außerdem ist es ein ungeheuer lebenslustiger junger Mann. Es ist
irgendwo ein mittelmäßiger Mensch mit vielen Komplexen, aber voller
Lebensfreude, voller Lebensgier, auch nach diesen fürchterlichen
Kriegsgeschehen.
Und irgendwo
meine ich auch, er ist ein sehr typischer Sowjetbürger. Also er himmelt Stalin
an und zwischendurch gibt es auch immer lange Passagen, wo er absolut
ideologisch schreibt. Aber dann ist es zum Beispiel so, er hat eine solche
Lust, wirklich sein Leben zu genießen.
Er sagt an einer
Stelle, er möchte, Zitat ist das, ein winziges Stück Lebensglück, wenn es das
denn geben sollte, in Deutschland genießen. Und das ist nämlich interessant. Er
ist auch Mitglied der Kommunistischen Partei und arbeitet also in der
Politerziehung.
Aber
andererseits, als dann im August 1945 der Erlass von Zhukov kam, der die
Fraternisierung mit Deutschen verbot, hat er sich furchtbar aufgeregt und
schrieb Folgendes in sein Tagebuch. »Es ist uns verboten, mit den Deutschen zu
sprechen, bei ihnen zu übernachten, einzukaufen. Jetzt verbietet man uns das
Letzte, sich in einer deutschen Stadt aufzuhalten, durch die Straßen zu gehen,
die Ruinen anzuschauen.
Nicht nur den
Soldaten, auch den Offizieren, das kann doch nicht sein. Wir sind Menschen, wir
können nicht in einem Käfig sitzen, umso mehr, als unser Dienst nicht am
Kasernentor endet und die Bedingungen und das Leben in den Kasernen uns bereits
verflixt noch mal zum Halse heraushängen. In der Armee ist jeder nur für sich
selbst verantwortlich und ich werde das jetzt auch versuchen.
Was ich will?
Freiheit. Die Freiheit zu leben, zu denken, zu arbeiten, das Leben zu genießen.“
Das finde ich nun für so einen jungen Sowjetbürger schon sehr beeindruckend.
Er schimpft aber
nicht nur über diesen Erlass, er schimpft in einer Tour eigentlich, wenn man
dieses Tagebuch liest, auch vorher schon, bevor Berlin erobert wurde, über
Kameraden, die ihn irgendwie übel wollen, die ihn verprügeln wollen, über
Vorgesetzte, er beschwert sich über Denunziationen, über Racheakte. Also das
ist gewaltig und lässt auch, also ich finde das, für mich war es ein sehr
interessanter Aspekt, das so zu lesen, weil man hatte ja schon fast aus diesen
Schilderungen heraus das Gefühl, da ist eine Armee in Auflösung begriffen.
Ja, ich denke,
das ist auch ein sehr wichtiger Aspekt, dass man sieht, gerade in den letzten
Kriegsmonaten, was für Zustände da in der Roten Armee herrschten.
Er beschreibt
mehrmals, wie sich alle betrinken, wie es sogar zu Alkoholvergiftungen kommt.
Er beschreibt, dass er von seinem Hauptmann verprügelt wurde. Also wirklich
diese absolute Auflösung und Disziplinlosigkeit ist schon sehr bedrückend, wenn
man sich das vorstellt.
Andererseits
glaube ich auch, dass der Wladimir Gelfand schon ein Mensch mit Komplexen war.
Also der hat sich ständig zurückgesetzt gefühlt. Auch als Jude denunziert.
Ja, ich wollte
gerade sagen, das spielt sicher eine Rolle. Das schreibt er auch in einem Brief
an den Vater, dass er als Jude auch natürlich Hänseleien ausgesetzt war. Aber
andererseits kann man sich auch vorstellen, in dieser groben, brutalen
Armeeatmosphäre, wenn da einer immer sitzt und Tagebuch schreibt, dann ist er
schon als Intellektueller lächerlich für viele seiner Kameraden.
Da gab es
offensichtlich keine Einschränkung. Wenn jemand Tagebuch schreiben wollte,
konnte er reinschreiben, was er wollte, hatte ich das Gefühl. Es geht ja
ziemlich weit, was er da über seine Vorgesetzten schreibt. Stellen Sie sich vor, das Tagebuch wäre
konfisziert worden.
Elke Schastianoy,
die sich ja mit dieser Problematik auseinandersetzt, sagt, das ist noch nicht
genau untersucht. An der Front war Tagebuchschreiben verboten.
Man kann sich
vorstellen, weshalb. Aber offensichtlich, wir hätten dieses ganze Material
nicht, wenn das so streng durchgehalten worden wäre. Denn der Wladimir hat
offensichtlich auch keinerlei Angst oder er schreibt halt wirklich alles rein.
Das Tagebuch ist,
wie ich finde, vorzüglich ausgestattet mit Kommentaren und Anmerkungen.
Trotzdem meine Frage, was garantiert eigentlich den authentischen Charakter
dieses Tagebuchs? Ist es nachträglich bearbeitet worden? Ist was verändert
worden?
Das schreibt die
Herausgeberin Elke Schastianoy auch im Nachwort sehr genau. Natürlich hat sie
ausgewählt.
Also sie hat eben
auch Dokumente ausgewählt, Briefe und Eingaben an Vorgesetzte, wo er sich
beklagt und so weiter. Und sie hat sich bewusst auf diese Zeit von Januar 1945
bis September 1946 eingeschränkt. Also ich denke, man kann schon von einem
höchsten Maß von Authentizität dieses Textes ausgehen.
Ich finde es
gerade auch interessant, wenn man spürt, die Ambitionen, die dieser junge Mann
hatte, der halt Schriftsteller sein wollte. Da merkt man auch so diese
Unsicherheit, wie er mal wirklich seinen eigenen, ganz subjektiven, privaten
Dinge schreibt und andermal plötzlich kommt so eine etwas gestellste,
pathetische Sprache zum Zuge, wo man merkt, ach, das ist jetzt Material, was er
für seinen späteren großen Kriegsroman hier vielleicht schreibt. Aber gerade
das gehört, denke ich, zu der Authentizität dieser Person, Wladimir Gelfand.
Kurze Frage,
bitte eine kurze Antwort. Es lohnt sich, das Buch zu lesen?
Absolut.
Wladimir Gelfand,
Deutschland, Tagebuch 1945 bis 1946, Aufzeichnungen eines Rotarmisten,
erschienen im Aufbau Verlag. Das Buch hat 357 Seiten und kostet 22,90 Euro. Es wurde aus dem
Russischen übersetzt von Anja Luther und Hartmut Schröder. Und nun zu Svetlana
Aleksejewitsch, die letzten Zeugenkinder im Zweiten Weltkrieg.
Ich sag's mal so,
ein völlig schnörkelloses und deshalb umso schwerer erträgliches Buch, Karla
Hilscher. Es erscheint auf Deutsch nicht das erste Mal.
Ja, es ist das
zweite Buch von Svetlana Aleksejewitsch, die ja eine ganz neue Art der
dokumentarischen Literatur für sich erarbeitet hat, in der sie die Geschichte
der Sowjetunion bis zum Zusammenbruch wirklich fast chronologisch darstellt.
Ihr erstes Buch
war Der Krieg hat kein weibliches Gesicht. Das ist 1985 in der Sowjetunion noch
erschienen und direkt zur gleichen Zeit auch Die letzten Zeugen. Sie hat für
sich eine neue Art von dokumentarischer Literatur gefunden, dass sie nämlich
aus Interviews mit Hunderten der unterschiedlichsten Menschen ihre Texte
zusammenstellt.
Und nachdem sie
in diesem Der Krieg hat kein weibliches Gesicht mit Hunderten Frauen, die im
Krieg gekämpft hatten, Interviews geführt hatte, hat sie begonnen mit Menschen
zu sprechen, die in der Kriegszeit noch Kinder waren.
Es sind 101 kurze
Erinnerungsausschnitte, frühkindliche Erinnerungssplitter. Und die sind immer
fokussiert auf einen unauslöschlichen Augenblick, auf eine Erfahrung mit der
Kriegsgewalt, mit Tod, brennenden Dörfern, Erschießungen, Verlust der Eltern
mitten im Gewühl. Unmittelbar erlebte Gewalt wird plötzlich wieder präsent. Und
man hat am Ende des Buches das Gefühl, wenn man wirklich alle Passagen gelesen
hat, was schon sehr schwierig ist, dass hier eine wirklich traumatisierte
Generation noch einmal zur Sprache gefunden hat.
Das berichtet
Svetlana Alexijewitsch ja immer, dass sie in ihren Interviews wirklich
Erinnerungen weckt, die ganz stark verdrängt worden sind.
Das ist auch oft
eine ganz schwierige, bewegende, gemeinsame Arbeit der Interviewerin mit diesen
Menschen gewesen.
Vielleicht hören
wir mal eine Stelle.
Ja, zum Beispiel
eine, wo man einfach sieht, dass die Kinder überhaupt nicht verstehen, was
passiert.
Dann erinnere ich
mich noch. Schwarzer Himmel und ein schwarzes Flugzeug. Neben der Landstraße
liegt unsere Mama mit ausgebreiteten Armen.
Wir bitten sie
aufzustehen, aber sie bleibt liegen, steht nicht auf. Soldaten wickelten Mama
in eine Zeltplane und begruben sie im Sand, an derselben Stelle. Wir schrien
und bettelten, vergrabt unsere Mama nicht in der Grube, sie wacht wieder auf
und dann gehen wir weiter.
Über den Sand
krabbelten irgendwelche großen Käfer. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie Mama
unter der Erde mit ihnen leben sollte. Wie sollten wir sie später wiederfinden?
Wie sollten wir uns treffen? Wer sollte unserem Papa schreiben? Ein Soldat
fragte mich, wie heißt du Mädchen? Aber ich hatte es vergessen.
Und dein
Familienname, wie heißt deine Mama? Ich erinnerte mich nicht.
Eine ungeheure
Wucht merkt man hier, dieser kindlichen, unauslöschlichen Erlebnisse. Und die
werden, finde ich, auch sehr oft an der Sprache kenntlich, die Svetlana
Aleksejevic so gelassen hat. Man hört häufig so ein Gestammel raus, dass alte Menschen, es waren ja
dann alte Menschen, plötzlich wieder wie Kinder erzählen. Zeit und Distanz sind
offensichtlich weggewischt, aufgehoben. Das ist ein Phänomen und ich glaube
auch eine Qualität der Interviewerin Svetlana Aleksejevic, dass sie das so
geschafft hat, dass die Menschen sich wieder so reinversetzen in dieses
Erlebnis.
Sie hat häufig
erzählt, dass sie Stunden, ja Tage mit diesen Menschen erst verbracht hat und
mit ihnen geredet hat, bis es dann zu dem Moment kam, wo die einfach auch diese
Erinnerungen wieder zulassen konnten und wo diese Erinnerungen dann aus ihnen
herausbrachen.
Svetlana
Aleksejevic wählt häufig ein journalistisch-dokumentarisches Verfahren. Also
hier tritt sie als Interviewerin auf und trotzdem wird ihr Verfahren auch als
literarisch bezeichnet.
Inwiefern?
Ja, ich denke,
die Arbeit von Svetlana Aleksejevic geht weit über das rein Journalistische
hinaus. Sie hat also hunderte Stimmen von Menschen gesammelt und diese Stimmen,
häufig in anderen Büchern, ist das sogar noch ausgeführt. Also zum Beispiel in
ihrem berühmten Tschernobyl-Buch, was wie ein Oratorium angelegt ist, wo Chor
und Einzelstimmen sich abwechseln.
Also das ist in
einer Weise sprachlich durch die Auswahl, durch Form von Wiederholungen ganz
leicht bearbeitet, ohne dass auch nur ein einziges Wort von ihr hinzugefügt
wurde. Und deshalb spürt man auch in diesem Buch, dass das eigentlich übergeht
in Literatur.
Svetlana
Aleksejevic, die letzten Zeugen Kinder im Zweiten Weltkrieg, aus dem russischen
von Ganna-Maria Braungart, erschienen als Taschenbuch, ebenfalls wie das
Gelfand-Buch im Aufbau-Verlag. Das Buch hat 320 Seiten und kostet 8,95 Euro.
Wir sind am Ende
unserer Sendung. Ich bedanke mich bei Carla Hilscher für dieses Gespräch.
Das war der Büchermarkt. Nach den Nachrichten folgt Forschung aktuell. Es moderierte Angela Gutzeit.
Transkribiert von TurboScribe.ai.
Анжела Гутцайт в беседе со cлавистин и журналистка
Карла Хилшер о следующих книгах:
1.)
Светлана Алексиевич: " Последних свидетелей " - детей во Второй мировой
войне (Ауфбау книги карманного формата)
2.)
Владимир Гельфанд: "немецкий дневник 1945-1946" (Ауфбау издательство)
Сегодня, 28 апреля, исполняется 60 лет с тех пор, как оставались считанные
дни до конца Второй мировой войны.
Войска Красной армии уже пересекли реку Шпрее в Берлине, и все еще
продолжались бои в пригородах столицы рейха. 2 мая Берлин капитулировал, а 8
мая побежденная нацистская Германия согласилась на полную и безоговорочную
капитуляцию. О бомбардировках немецких городов, о депортациях и о последних
днях в бункере фюрера мы слышали много за последние месяцы.
В преддверии 8 мая, давайте обратим внимание на сторону победителей, чья
победа была достигнута ценой многих миллионов жизней, на солдат и население
бывшего Советского Союза.
В студии я приветствую слависта, автора книг и журналиста Карлу Хильшер. Мы
хотим поговорить о двух книгах. Обе они вышли в издательстве Aufbau Verlag. Одна из них,
написанная Светланой Алексеевич, посвящена детям в Беларуси и носит название
«Последние свидетели, дети Второй мировой войны». Другая – это дневник автора,
который нам до сих пор не был известен, Владимир Гельфанд, «Дневник Германии
1945-1946, записи красноармейца».
Карла Хильшер, кто был Владимир Гельфанд? Мы о нем до сих пор ничего не
слышали.
Владимир Гельфанд был лейтенантом Красной армии, то есть простым солдатом.
Он происходил из еврейской семьи из Восточной Украины и прошел всю войну с 1942
года, будучи на фронте.
Этот дневник описывает весь бой за Берлин и первый послевоенный год, то
есть с января 1945 года по сентябрь 1946 года.
Когда родился Гельфанд?
Он родился в 1923 году.
1923 год, из еврейской семьи. Записи были сделаны доступными для
общественности сыном Гельфанда Виталием и отобраны и прокомментированы
историком Эльке Шерстяной.
Гельфанд был почти фанатичным писателем дневников, как нам сообщают в
предисловии и послесловии. Когда он умер в 1983 году, он оставил целый чемодан
записей.
Эта книга, Карла Хильшер, является выборкой, иначе и быть не может. Как вы
думаете, по каким критериям она была составлена, ведь это не только дневник?
Да, я думаю, что это сделано очень серьезно, даже научным образом историком
Эльке Шерстяной. Она также опубликовала огромную документацию писем
красноармейцев из Германии, и я думаю, что она очень тщательно отобрала и
прокомментировала эти записи.
Большая часть дневника из этих полутора лет, но также включены письма к
родителям и друзьям, а также обращения к начальству.
Как вы думаете, почему это вышло только сейчас? Кажется, это связано с его
сыном Виталием, который когда-то решил это опубликовать.
Я точно не знаю, но Виталий приехал в Германию из России в 1995 году, в
Берлин, и, очевидно, затем установил контакт с Институтом современной истории,
где работает Эльке Шерстяной.
И был запланирован этот выпуск, который действительно дает интересную,
аутентичную перспективу с совершенно другой точки зрения на это сумасшедшее
время перемен.
Конец войны в Берлине. Русские идут, говорили тогда с ужасом. Ожидали
мести, и нацисты активно пропагандировали это. Что последовало, известно из
семейных рассказов, дневников немецких женщин и других источников. Русские
солдаты совершали сексуальные насилия над женщинами и девочками. В книге
Гельфанда это не замалчивается, но и не рассматривается в полной мере.
Это очень субъективный, личный дневник. Нельзя забывать, что это молодой
человек 22 лет, который, конечно, многое и ужасное видел на войне, но при этом
был невероятно любопытным и предприимчивым. И, собственно говоря, этот дневник
также является эротическим дневником молодого мужчины, который делает свои
первые опыты. И что важно, он никогда не применял насилие, а скорее искал
большую любовь, развиваясь в своего рода ловеласа, который имел множество
контактов с немецкими женщинами. Но насилие там никогда не играло роли.
Может быть, я прочитаю отрывок. «...Я
бы с удовольствием насладился нежностями прекрасной Марианны в полной мере.
Поцелуи и объятия были недостаточны. Я надеялся на большее, но не хотел
торопить ее. Ее мать довольна мной. И это не удивительно, ведь я принес
продукты, сладости, колбасу и дорогие немецкие сигареты...» То есть видно, что он даже контактировал с
матерью.
Надо сказать, что есть момент, когда он осознает, что происходили
изнасилования и массовые изнасилования. И одна молодая женщина и ее мать
умоляли его сделать ее своей любовницей, чтобы защититься от насилия со стороны
других. Владимир был любопытным и предприимчивым молодым человеком.
Важно отметить, что у него были большие амбиции. Он хотел стать писателем.
И это одна из причин, почему он так интенсивно вел дневник и все собирал.
Это интересно. С одной стороны, это очень субъективный, личный и даже интимный
дневник.
Иногда есть целые отрывки, которые очень патетичны, где видно, что он хочет
развить свои литературные навыки. Он, кстати, так и не стал писателем. До
большого военного романа, который он хотел написать, так и не дошло.
Очевидно, до этого не дошло. Может быть, он немного переоценил себя.
Считаете ли вы, что этот дневник многое раскрывает о контактах между
победителями и побежденными в оккупированном Берлине?
Да, думаю, что
так.
Интересно также, что Владимир Гельфанд работал в трофейной бригаде. Он
занимался демонтажом и транспортировкой демонтированных товаров. Это давало ему
возможность много путешествовать и быть в пути.
И он был настоящим шалопаем. Видно, что он часто отходил от своей части. Он
был далеко не дисциплинированным лейтенантом и поэтому часто сталкивался с
трудностями.
Когда вы говорите "шалопай", это не должно звучать грубо. Но при
чтении дневника я думала, что этот человек пережил столько всего, в том числе
ужасов войны. Он был солдатом с 1942 года.
Он участвовал в Сталинградской битве. Он был евреем, и однажды узнал, что
часть его отцовской семьи погибла в Холокосте. А что он делает в Берлине? Он
делает себе химическую завивку, фотографируется в позе денди, флиртует с
девушками. Как это понять? Как облегчение?
Да, думаю, что так. Кроме того, он был невероятно жизнерадостным молодым
человеком. Где-то посредственным человеком с множеством комплексов, но полным
жизненной радости, полным жажды жизни, даже после этих ужасных военных событий.
И где-то я думаю, что он был очень типичным советским гражданином. Он
восхищался Сталиным, и временами в его записях встречаются длинные отрывки,
написанные абсолютно идеологически. Но затем он, например, проявляет огромное
желание действительно наслаждаться жизнью.
В одном месте он говорит, цитата: "Я
хочу наслаждаться крошечным кусочком жизненного счастья, если оно есть, в
Германии". И это интересно. Он также был членом Коммунистической
партии и работал в политическом воспитании.
Но с другой стороны, когда в августе 1945 года вышел указ Жукова,
запрещающий брататься с немцами, он ужасно разозлился и написал следующее в
своем дневнике: "Нам запрещено
говорить с немцами, ночевать у них, покупать у них. Теперь нам запрещают
последнее, находиться в немецком городе, гулять по улицам, смотреть на руины.
Не только солдатам, но и офицерам. Это же невозможно. Мы люди, мы не можем
сидеть в клетке, тем более, что наша служба не заканчивается у ворот казармы, и
условия и жизнь в казармах уже чертовски достали. В армии каждый отвечает
только за себя, и я тоже попробую. Чего я хочу? Свободы. Свободы жить, думать,
работать, наслаждаться жизнью." Я нахожу это весьма впечатляющим для
такого молодого советского гражданина.
Он ругается не только на этот указ, он вообще ругается в своем дневнике на
все и всех, на товарищей, которые его недолюбливают , которые хотят его избить,
на начальство, жалуется на доносы, на акты мести. Это действительно
впечатляюще, и у меня было такое чувство, что эта армия на грани распада.
Да, я думаю, что это очень важный аспект, который показывает, какие условия
царили в Красной армии в последние месяцы войны.
Он описывает, как все напиваются, как случаются даже алкогольные
отравления. Он рассказывает, что его избил его капитан. Это действительно
угнетающее описание абсолютной распущенности и недисциплинированности, когда
представляешь себе такие условия.
С другой стороны, я думаю, что Владимир Гельфанд был человеком с
комплексами. Он постоянно чувствовал себя ущемленным. Также как еврей,
подвергался насмешкам.
Да, я как раз хотела сказать, что это, несомненно, играло роль. Он также
пишет в письме отцу, что как еврей он тоже подвергался насмешкам. Но с другой
стороны, можно представить, что в этой грубой, жестокой армейской атмосфере,
если кто-то постоянно сидит и пишет дневник, то он становится смешным для своих
товарищей-интеллектуалов.
Видимо, не было никаких ограничений. Если кто-то хотел писать дневник, он
мог писать, что хотел, у меня было такое чувство. Он пишет довольно откровенные
вещи о своих начальниках. Представьте себе, если бы дневник был конфискован.
Эльке Шерстяной, которая занимается этой проблематикой, говорит, что это
еще не исследовано. На фронте вести дневник было запрещено.
Можно представить, почему. Но очевидно, у нас не было бы всего этого
материала, если бы это строго соблюдалось. Потому что Владимир, очевидно, не
боялся или просто писал все, что хотел.
Дневник, как мне кажется, прекрасно оформлен комментариями и примечаниями.
Но у меня все же вопрос: что гарантирует аутентичность этого дневника? Он был
обработан после написания? Что-то было изменено?
Это также подробно описано в послесловии редактором Эльке Шерстяной.
Конечно, она выбрала определенные фрагменты.
Она также включила документы, письма и обращения к начальству, где он
жалуется и так далее. Она сознательно ограничилась периодом с января 1945 года
по сентябрь 1946 года. Поэтому я думаю, что можно говорить о высокой степени
аутентичности этого текста.
Мне это особенно интересно, когда ощущаешь амбиции этого молодого человека,
который хотел стать писателем. Тогда становится заметно, как он иногда пишет
свои личные, субъективные, частные вещи, а иногда появляется более
постановочная, патетическая речь, когда чувствуешь, что это материал для его
будущего большого военного романа. Но это, как мне кажется, тоже часть
аутентичности личности Владимира Гельфанда.
Короткий вопрос, пожалуйста, короткий ответ. Стоит ли читать эту книгу?
Абсолютно.
Владимир Гельфанд, «Дневник Германии 1945-1946, записи красноармейца»,
вышла в издательстве Aufbau Verlag. Книга
имеет 357 страниц и стоит 22,90 евро. Она была переведена с русского Аней Лютер
и Хартмутом Шрёдером. А теперь к Светлане Алексеевич и её книге «Последние
свидетели, дети Второй мировой войны».
Скажу так, это совершенно беспристрастная и поэтому крайне тяжелая для
восприятия книга, Карла Хильшер. Она уже выходила на немецком языке ранее.
Да, это вторая книга Светланы Алексеевич, которая разработала совершенно
новый тип документальной литературы, в которой она почти хронологически
рассказывает историю Советского Союза до его распада.
Её первая книга была «У войны не женское лицо». Она вышла в Советском Союзе
в 1985 году и одновременно с ней также «Последние свидетели». Она нашла новый
способ документальной литературы, составляя свои тексты из интервью с сотнями
различных людей.
После того, как она провела интервью с сотнями женщин, которые воевали на
войне, она начала говорить с людьми, которые были детьми во время войны.
Это 101 короткий фрагмент воспоминаний, детские воспоминания. Они всегда
сосредоточены на одном незабываемом моменте, на опыте военного насилия, смерти,
сожжённых деревнях, расстрелах, потере родителей посреди хаоса. Внезапно снова становится
явным непосредственное переживание насилия. И к концу книги, если вы
действительно прочитали все отрывки, что само по себе очень сложно, у вас
возникает ощущение, что перед вами по-настоящему травмированное поколение,
которое снова нашло свой голос.
Светлана Алексеевич часто рассказывает, что её интервью действительно
пробуждают воспоминания, которые были глубоко подавлены.
Это часто была очень сложная, волнующая работа для интервьюера и этих
людей.
Может быть, послушаем отрывок?
Да, например, тот, где видно, что дети вообще не понимают, что происходит.
Я ещё помню. Чёрное небо и чёрный самолёт. Рядом с
дорогой лежит наша мама с раскинутыми руками.
Мы просим её встать, но она остаётся лежать, не встаёт.
Солдаты завернули маму в палаточное покрывало и похоронили её в песке, на этом
же месте. Мы кричали и умоляли, не закапывайте нашу маму в яму, она же
проснётся и мы пойдём дальше.
По песку ползали какие-то большие жуки. Я не мог
представить, как мама будет жить под землёй с ними. Как мы её потом найдём? Как
встретимся? Кто напишет нашему папе? Солдат спросил меня, как тебя зовут,
девочка? Но я забыла.
А фамилия твоя, как зовут твою маму? Я не помнила.
Здесь чувствуется огромная сила детских, незабываемых переживаний. И они
часто проявляются в языке, который оставила Светлана Алексеевич. Часто слышишь
заикающуюся речь, как старые люди, вдруг снова говорящие как дети. Время и
дистанция, очевидно, стёрты, отменены. Это феномен и, думаю, качество
интервьюера Светланы Алексеевич, что ей удалось добиться, чтобы люди так точно
вспомнили это событие.
Она часто рассказывала, что проводила часы, даже дни с этими людьми,
разговаривая с ними, пока не наступал момент, когда они могли снова вспомнить
эти переживания, и эти воспоминания вырывались наружу.
Светлана Алексеевич часто использует журналистский и документальный подход.
Здесь она выступает как интервьюер, и всё же её метод называют литературным. В
чем отличие?
Я думаю, работа Светланы Алексеевич далеко выходит за рамки чисто
журналистской деятельности. Она собрала сотни голосов людей, и эти голоса,
часто в её других книгах, разработаны ещё больше. Например, в её знаменитой
книге о Чернобыле, которая построена как оратория, где чередуются хор и
одиночные голоса.
Это выполнено с использованием определенных языковых средств, таких как
выбор, форма повторений, без добавления ни единого слова от неё. Поэтому
чувствуешь, что это действительно переходит в литературу.
Светлана Алексеевич, «Последние свидетели, дети Второй мировой войны»,
перевод с русского Ганна-Марии Браунгарт, вышла в мягкой обложке, как и книга
Гельфанда, в издательстве Aufbau Verlag. Книга
имеет 320 страниц и стоит 8,95 евро.
Мы подошли к концу нашей передачи. Благодарю Карлу Хильшер за это интервью.
Это был «Книжный рынок». После новостей – «Наука сегодня». Вела передачу
Анжела Гутцайт.
Transkribiert von TurboScribe.ai.