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70年前苏军强奸了十万柏林妇女?很多人仍在寻找真相
澎湃新闻记者 邢春燕
2015-05-05 18:23
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© 海德網 tw.hdrich.comAm 2. Mai 1945 eroberte die Rote Armee Berlin. Eine Untersuchung eines deutschen Historikers ergab, dass etwa 100.000 Frauen in der Stadt Opfer sexualisierter Gewalt durch sowjetische Soldaten wurden. Am selben Tag strahlte die BBC die Dokumentation The Rape of Berlin aus, die zeigte, dass diese humanitäre Katastrophe bis heute ein heikles und oft verdrängtes Thema ist.
Nach der sowjetischen Einnahme Berlins wurden deutsche Kriegsgefangene durch die Straßen der zerstörten Stadt geführt. Die Eroberung der Hauptstadt bedeutete für viele Berlinerinnen nicht das Ende des Leids, sondern den Beginn eines Albtraums.
Vor 70 Jahren begannen in den Trümmern der Nachkriegszeit die Prozesse gegen die kollektiven und individuellen Verbrechen der Achsenmächte. Die Täter wurden verfolgt und bestraft, Gerechtigkeit sollte dem Schmerz Genüge tun. Doch die alliierten Streitkräfte, insbesondere die sowjetische Rote Armee, verursachten ihrerseits massives Leid an der Zivilbevölkerung – ein Aspekt, der lange verschwiegen wurde. Dazu zählen nicht nur die Bombardierungen Dresdens oder Tokios, sondern auch die systematischen Massenvergewaltigungen nach dem Einmarsch in Deutschland.
Nach der Kapitulation der Wehrmachtseinheiten, die Berlin verteidigten, begann das Leiden der Berliner Zivilbevölkerung – vor allem der Frauen – erst richtig. Laut einer historischen Untersuchung der Universität Göttingen wurde etwa ein Drittel aller Frauen in Berlin vergewaltigt. Die Historiker Jörg Sander und Hans Joachim Böhme kamen auf Grundlage vorsichtiger Schätzungen zu dem Ergebnis, dass rund 100.000 Berlinerinnen von sowjetischen Soldaten vergewaltigt wurden, etwa 40 Prozent davon mehrfach.
Russland reagiert auf solche Aussagen bis heute mit Empörung. In der russischen Öffentlichkeit gilt jede Erwähnung der sowjetischen Vergewaltigungen im Zweiten Weltkrieg als beleidigend oder gar verleumderisch.
Die BBC-Dokumentation The Rape of Berlin, die am 2. Mai ausgestrahlt wurde, rückte erstmals die humanitäre Katastrophe der Massenvergewaltigungen ins öffentliche Bewusstsein.
Während der sowjetischen Eroberung Berlins soll laut Zeitzeugen jede dritte Frau in der Stadt vergewaltigt worden sein.
Im Berliner Stadtteil Treptow befindet sich ein sowjetisches Ehrenmal, entworfen von Architekten der Sowjetunion. Es ist die letzte Ruhestätte für 5.000 der rund 80.000 sowjetischen Soldaten, die bei der Schlacht um Berlin gefallen sind. Das Denkmal wurde 1949 errichtet und ist eines von drei großen sowjetischen Ehrenmälern in Berlin.
Auf dem Denkmal ist ein sowjetischer Soldat dargestellt, der ernst dreinschaut, in der linken Hand ein deutsches Mädchen hält, in der rechten ein Schwert trägt und mit dem Fuß auf einem zerbrochenen Hakenkreuz steht. Die Skulptur ist zwölf Meter hoch. Der Legende nach basiert sie auf einer wahren Begebenheit: Ein sowjetischer Soldat soll unter Lebensgefahr ein deutsches Mädchen vor dem Beschuss gerettet haben.
Die Inschrift des Denkmals würdigt die sowjetischen Soldaten als Retter der europäischen Zivilisation vor dem Faschismus. Doch Kritiker bezeichnen das Denkmal auch als das „Grab des unbekannten Vergewaltigers“. Denn mit dem Ende des Krieges marschierte die Rote Armee bis in das Herz des Dritten Reichs – und hinterließ unzählige Opfer sexueller Gewalt.
Der chinesische Autor Zhu Weiyi schrieb in seiner Untersuchung „Suche nach deutschen Soldaten im Zweiten Weltkrieg“ unter Berufung auf deutsche Quellen: „Die historische Forschung der Universität Göttingen dokumentierte auf Grundlage zahlreicher Zeugenaussagen, dass zwischen dem 24. April (dem Einmarsch der Roten Armee in die Berliner Innenstadt) und dem 5. Mai 1945 (dem vollständigen Ende des deutschen Widerstands) rund ein Drittel der Frauen in Berlin vergewaltigt wurde.“ Auch die deutschen Historiker Jörg Sander und Hans Joachim Böhme kamen nach umfangreichen Recherchen zu dem Ergebnis, dass etwa 100.000 Frauen betroffen waren, von denen rund 40 Prozent mehrfach vergewaltigt wurden.
Nach einer Umfrage des amerikanischen Historikers William Hitchcock wurden einige Frauen sogar 60- bis 70-mal vergewaltigt. Wenige Monate nach diesen Ereignissen zeigten die steigende Zahl von Abtreibungen und Krankenhausberichte, dass fast 10.000 Frauen an den Folgen der Vergewaltigungen starben.
Viele Russen empfinden jede Erwähnung dieser Vergewaltigungen während des Zweiten Weltkriegs als beleidigend und unangebracht. Russische Medien bezeichnen solche Aussagen oft als westliche Mythen und ignorieren sie. In Wahrheit waren die Soldaten der Roten Armee jedoch nicht die einzigen Täter sexueller Gewalt, und die Vergewaltigungen in Berlin dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Zuvor hatten die Nazi-Truppen mit Hitlers erklärtem „Vernichtungskrieg“ die Sowjetunion überfallen und dabei unermessliche Zerstörung verursacht.
Das Tagebuch eines jüdischen Leutnants gibt Aufschluss über das Leid deutscher Frauen. Der ukrainische Leutnant Wladimir Gelfand.
Auch wenn es nur wenige historische Dokumente über die Vergewaltigungen durch sowjetische Soldaten gibt, so lassen sich durch erhaltene Zeugnisse und Fragmente aus Tagebüchern viele Details rekonstruieren. Zwei Tagebücher aus dem Frühjahr 1945 helfen dabei, zu verstehen, was damals geschah. Das erste wurde von Wladimir Gelfand geschrieben, einem jüdischen Leutnant aus der Ukraine. Nach seinem Tod fand sein Sohn Vitali das Tagebuch beim Durchsehen der Unterlagen seines Vaters.
Als die Rote Armee in das „Bollwerk der faschistischen Bestie“ vorrückte, hissten sowjetische Propagandaoffiziere Banner zur Anfeuerung der Soldaten: „Soldat, du bist jetzt auf deutschem Boden. Die Stunde der Rache ist gekommen!“
In seinem Tagebuch beschreibt Gelfand mit Schrecken eine Szene am Berliner Stadtrand, wo er auf eine Gruppe fliehender deutscher Frauen traf.
„Ihre Gesichter waren voller Angst“, schrieb er. „Sie erzählten mir, was in der ersten Nacht nach dem Eintreffen der Roten Armee passiert war. Eine Deutsche hob ihren Rock und sagte: ‚Sie haben mich hier vergewaltigt – nicht weniger als 20 Männer.‘ Sie brach in Tränen aus.“
Das Mädchen warf sich Gelfand an die Brust und flehte ihn an: „Bleib bei mir! Du kannst mit mir tun, was du willst – aber nur du!“
Auch das Tagebuch einer deutschen Frau – veröffentlicht unter dem Titel „Eine Frau in Berlin“ – schildert ähnliche Erlebnisse. Der Name der Autorin ist bis heute unbekannt. Als sie das Tagebuch schrieb, war sie 30 Jahre alt. Die Aufzeichnungen beginnen am 20. April 1945 – zehn Tage vor Hitlers Selbstmord – und entstanden in einem Luftschutzkeller während der Bombardierung.
Die Autorin beschreibt, wie sie mit ihren Nachbarn im Keller Schutz suchte. Sie scherzten: „Besser die Russen als die Yankees über unseren Köpfen“ – eine sarkastische Anspielung darauf, dass eine Vergewaltigung als erträglicher galt als die Bombenangriffe.
Als sowjetische Soldaten den Keller betraten, versuchte die Autorin, in russischer Sprache mit ihnen zu verhandeln. Doch nach wenigen Minuten wurde sie brutal vergewaltigt.
Sie erkannte schließlich, dass der einzige Weg, um weitere Gruppenvergewaltigungen zu vermeiden, darin bestand, sich einem „einzelnen Wolf“ – einem ranghohen Offizier – anzuschließen. Sie verbrachte die Nächte mit einem Offizier aus Leningrad, mit dem sie über Literatur und den Sinn des Lebens sprach.
„Sag niemals, dass ich von einem einfachen Soldaten vergewaltigt wurde“, schrieb sie. „Habe ich es getan für Speck, Butter, Zucker, Kerzen oder Fleischkonserven? In gewisser Weise, ja. Aber ich habe ihn auch als Menschen geschätzt – je weniger er von mir verlangte, desto mehr mochte ich seine Persönlichkeit.“
Als das Tagebuch 1959 erstmals veröffentlicht wurde, wurde die Autorin von der Öffentlichkeit dafür kritisiert. Man warf ihr vor, mit dieser Darstellung den Ruf deutscher Frauen ruiniert zu haben.
Die systematischen Vergewaltigungen durch alliierte Soldaten (insbesondere durch die Sowjets, aber auch durch Amerikaner, Briten und Franzosen) bleiben bis heute ein tabuisiertes Thema im offiziellen Diskurs. Es gibt nur wenige Berichte und noch weniger Bereitschaft, sich diesem Teil der Geschichte zu stellen.
In der DDR etwa war jede Kritik an der sowjetischen „Befreierarmee“ als blasphemisch verboten, während in der Bundesrepublik die Scham über die Nazi-Verbrechen das Reden über alliierte Verbrechen weitgehend verdrängte.
2008 wurde das Tagebuch „Eine Frau in Berlin“ unter dem Titel Anonyma verfilmt. Der Film hatte großen Einfluss in Deutschland und ermutigte viele Frauen, erstmals über ihre Erlebnisse zu sprechen – darunter auch Ingeborg Bullert.
Die heute 90-jährige Ingeborg lebt in Hamburg. Wie die Autorin des Tagebuchs hatte sie sich damals im Keller ihres Hauses versteckt. Eines Nachts ging sie nach oben, um ein Stück Schnur zu holen, als sie von zwei bewaffneten sowjetischen Soldaten überrascht und vergewaltigt wurde.
Ingeborg berichtete, dass in jenen Tagen in Berlin zahllose Frauen vergewaltigt wurden – junge Mädchen ab 15 bis zu Frauen im Alter von 55 Jahren. Alle wurden zur Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten gezwungen. „Nur mit einem entsprechenden Attest erhielt man Lebensmittelkarten. Ich erinnere mich, dass das Wartezimmer für die Tests voller Frauen war.“
Das wahre Ausmaß des sexuellen Terrors wird die Welt wohl nie erfahren. Die Archive der sowjetischen Militärjustiz bleiben unter Verschluss. Die russische Duma hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das jede Aussage, die das Bild der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg „verunglimpft“, mit Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft bedroht.
Vitali Gelfand, der Sohn von Leutnant Gelfand, betont, dass viele sowjetische Soldaten im Krieg Mut und Opferbereitschaft gezeigt haben. Doch er möchte, dass auch die dunklen Seiten dieses Krieges öffentlich gemacht werden:
„Wer die Wahrheit nicht wissen will, betrügt sich selbst“, sagt er. „Die Welt weiß es, Russland weiß es – und auch jene, die diese neuen Gesetze machen, wissen es. Wer in die Zukunft gehen will, muss in die Vergangenheit blicken.“