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Thomas Kersting: "Erdhütten im Wald: Rotarmisten zwischen Krieg und Frieden 1945" | ||
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70 Jahre nach dem Ende des 2.
Weltkrieges wurde der Blick der Brandenburger Landesarchäologie auf
bislang völlig unbekannte archäologische Relikte gerichtet, nämlich
„neue“ militärgeschichtliche Funde und Befunde in brandenburgischen
Wäldern. Gemeldet wurden sie dem Fachamt durch aufmerksame
Ehrenamtliche Mitarbeiter. Eigentlich muss ihr Anblick seit Jahrzehnten
Förstern, Wanderern, Anwohnern und anderen Leuten, die im Gelände
unterwegs sind, vertraut sein – nur hat bislang niemand erkannt, dass
es sich um geschichtliche Zeugnisse im Boden und damit um
archäologische Denkmale handelt. Wir erhalten die Kenntnis davon durch
unsere Ehren amtlichen Beauftragten, also eigentlich ausgebildete
„Hobbyarchäologen mit Ausweis“, die – wie Sieghardt Wolter aus
Brandenburg an der Havel – im Auftrag des Amtes landesweit unterwegs
sind und nach archäologischen Fundplätzen aller Art suchen und sie an
uns melden. Auch ihnen war lange nicht bewusst, dass sich die
Landesarchäologie „neuerdings für so etwas“ interessiert – immerhin ist
die Archäologie der Neuzeit und sogar der Zeitgeschichte längst in
Brandenburg angekommen (Kersting 2015). Es bedurfte diverser Gespräche
und Fundvorlagen im Rahmen des regelmäßigen Lehrganges für
Ehrenamtliche, bis beiden Seiten klar wurde, worum es dabei geht. Dies
ist auch der Grund dafür, dass hier in Bezug auf die wissenschaftlich
unverzichtbare Quellenkritik einige Erläuterungen gegeben werden
müssen, die vor diesem Hintergrund verständlich werden. So wurde z. B.
Fundmaterial über längere Zeit von verschiedenen Fundplätzen
angesammelt, das sich heute nicht mehr trennen lässt (dies betrifft
insbesondere silberne „Wertsachen“), einfach, weil den Ehrenamtlichen
nicht klar war, das auch für dieses Material und diese Zeitepoche die
im Lehrgang erlernten Regeln für „normale“ archäologische Fundplätze
gelten. Ihnen als „Einheimischen“ war vertraut, was in den östlichen
Bundesländern durch die ältere Zeitzeugengeneration vermitteltes
Allgemeingut ist: „die Russen lagen da hinten im Wald“ ist ein Spruch,
den hier jeder von seinen Großeltern oder Eltern gehört hat. In den brandenburgischen Wäldern lagerten große Truppenteile in regelmäßig angelegten Waldlagern aus eingegrabenen traditionellen Blockhäusern (Kersting 2016). |
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Sichtbarer Befund Hier finden sich stellenweise ganze Gruppen von rechteckigen, heute überwachsenen und z. T. mit Bäumen bestandenen Gruben, von ungefähr drei mal sechs Metern, die noch etwa hüfttief sind und fast immer an einer Schmalseite eine Zugangsrampe haben (Abb. 1). Sie sind meist ganz „militärisch-exakt“ entlang von Waldwegen aufgereiht, oft in mehreren Reihen, manchmal nur wenige, aber auch bis zu mehreren Dutzend oder gar Hunderten an einem Ort (Abb. 2). Diese Eingrabungen sind die Reste von halb eingegrabenen Blockhäusern, im Russischen sog. „semljanka“ (Erdhütte, oder allgemein militärischer Unterstand). Die Ähnlichkeit zu den allgemein aus slawischem Zusammenhang bekannten Grubenhäusern, die hierzulande allerdings mindestens ca. 1.200 Jahre älter sind, ist |
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zunächst
unübersehbar. Es ist ja auch nicht unwahrscheinlich, ja nahe
liegend, dass die Bautradition aus derselben Quelle schöpft. In
(seltenen) zeitgenössischen Fotos wie auch im archäologischen
Befund ist allerdings zu sehen, dass neben der Blockbaukonstruktion
auch stabilisierende Pfosten eingesetzt wurden, manchmal stecken sie im
Einzelfall sogar noch heute halb vergangen in ihren
Pfostenlöchern, wie bisweilen zu beobachten ist. Auch benutzte man
aufrecht stehende Bäume zur Verankerung der Konstruktionen mit
großen Eisenkrampen, wie sie noch in situ vorhanden sein
können oder beim Fundmaterial auftreten. Diese Anlagen wurden
offenbar „nach Dienstvorschrift“ errichtet; denn in einem
militärischen Handbuch von damals, dem „Sputnik
partisana“ („Begleiter des Partisanen“, der im
russischen Internet aufgetrieben werden konnte), gibt es eine
Konstruktionszeichnung dazu, die den heutigen Resten gut entspricht.1
Praktisch also schon ohne Ausgrabung zu sehen sind die exakten Grenzen
der Erdhütte, ihr Eingang an der Schmalseite und ihre abgestufte
Innengliederung. In den Längs- und Querprofilen mehrerer
Sondage-Grabungen war dies noch besser nachzuvollziehen, dazu kommen
weitere Einzelheiten wie die Pfostenstellungen im Eingangsbereich und
in der Mitte der Längsseiten. Die Verbreitung dieser
„Waldlager“ ist derzeit vor allem in Nordwest- und West-
Brandenburg sowie nördlich und östlich von Berlin
nachgewiesen, wobei unklar ist, wie viele Stellen sich noch unentdeckt
im Wald befinden (Abb. 3). |
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Die Eingrabungen
sind sehr markant und recht einheitlich, sowohl in der Art der
Konstruktion der einzelnen als auch in der Art ihrer Gruppierung: fast
immer strikt linear an vorhandenen Waldwegen und in streng parallelen
Reihen, bei größeren Anlagen auch in Gruppen, denen kleinere
Gruben zugeordnet sind. Daher lassen sie sich in situ und im Digitalen
Geländemodell relativ sicher von ähnlichen Eingrabungen
militärischer Natur unterscheiden, die in den Brandenburger
Wäldern nicht selten sind, wie Geschützstellungen,
eingegrabene Fahrzeugstandorte u. a. m. Dabei ist auch ein
möglicherweise zu vermutender Zusammenhang dieser Eingrabungen mit
(älteren und jüngeren) Truppenübungsplätzen, an
denen Brandenburg ja reich ist, auszuschließen; sie liegen alle
außerhalb der bekannten Orte, und das umgebende Waldgebiet ist in
allen Fällen völlig ungestört und unberührt, wie
sich nicht zuletzt im Digitalen Geländemodell beobachten
lässt; außerhalb von Wald sind solche Anlagen nicht bekannt.
Da Wald hierzulande fast zu 100 % auch unebenes, welliges, ja
hügeliges Gelände bedeutet, ist damit gleichzeitig die
Platzwahl beschrieben: praktisch immer in Hanglage, häufig am
Fuße desselben in der Nähe des inneren Waldrandes, offenbar
um den Blick ins freie Feld (in der Nähe) zu haben. Der
Fundplatzkatalog umfasst die derzeit von Ehrenamtlichen erkannten und
gemeldeten Plätze, die meistens zusätzlich durch
einschlägiges Fundmaterial abgesichert sind, sowie weitere, die
„am Bildschirm“ entdeckt wurden und mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit dazu gehören. Dadurch, dass seit
über einem Jahr intensiv nach solchen Standorten gesucht wird, ihr
Erscheinungsbild / Steckbrief allen Ehrenamtlichen und den Unteren
Denkmalschutzbehörden bekannt gemacht wurde, hat sich ihre Anzahl
zwar bedeutend erhöht, nicht aber ihr brandenburgweit ungleiches
Verteilungsbild. Fundmaterial Die Brandenburgische Landesarchäologie besitzt seit neuestem zahlreiche Funde aus diesen Waldlagern der Roten Armee von 1945, wo offenbar Alltagsgegenstände, Ausrüstungsteile etc. zurückgelassen wurden. In diesen „Waldlagern“ (die Begriffsprägung erfolgte in Anlehnung an den bekannten militärischen Begriff „Feldlager“) fand der Alltag der Rotarmisten statt, abseits der vielleicht noch andauernden Kampfhandlungen um die „Reichshauptstadt“ – und sicher auch noch eine Zeitlang danach. Dort finden sich einerseits relativ wenige militärische Objekte, Abzeichen und Orden, Schilder, technische Gegenstände, selten mal ein Helm oder Fahrzeug- und Waffenteile. Andererseits sind die zu den Baulichkeiten und zum täglichen Leben gehörigen Gegenstände häufiger: Werkzeug, Tür- und Fensterbeschläge, „Einrichtung“ wie z. B. aus Geschosshülsen gebastelte Lampen, Bleche aller Art, militärische Essgeschirre sowie Kannen, Becher, Töpfe, Besteck und vieles anderes mehr. Manches ist mit eingeritzten kyrillischen Inschriften versehen, dabei handelt es sich offenbar um individuelle, eigene Gebrauchsgegenstände wie Löffel oder Essge schirre. Kleine Aluminiumschilder mit Namen waren wohl am Pferdezaumzeug angebracht, denn sie tragen rührenderweise offenbar Pferdenamen. Anderes, anscheinend angeeignetes Material ist teilweise mit eingeritzten Sowjetsternen überprägt. Man hatte sich dafür eigens Schablonen aus starkem Blech hergestellt (Abb. 4). Typischerweise werden dabei z. B. Hakenkreuze auf Wehrmachts- Koppelschlössern ausgelöscht, die man dann selber trug, wie auf Fotos aus der Zeit zu sehen ist. Auch werden Sowjetsterne häufig aus Blechen ausgestanzt oder ausgesägt. Was man damit gemacht hat, ist unklar. Hat man sie getragen, verschenkt oder vielleicht nur zum Zeitvertreib angefertigt? Hinzu kommt auch regelmäßig ziviles Material, es reicht von Fahrradteilen und abmontierten Bad-Armaturen wie Wasserhähnen und Duschköpfen über zahlreiche Reste von Uhren bis hin zu allen möglichen Wertsachen (Silberbesteck, Rasier- und Feuerzeug, Zigarettenetuis, Schmuck) (Abb. 5) und anderen Kleinobjekten, die offensichtlich von der Zivilbevölkerung stammen. Auch Porzellan gehört hin und wieder dazu, gläserne Bierseidel mit Zinndeckel, aber auch Bügeleisen, Bruchstücke von Musikinstrumenten sowie von Grammophon-Schalltrichtern und Schallplatten. Auch Relikte des Nazi-Regimes sind vorhanden: Abzeichen wie Orden oder Mutterkreuze bis hin zu (wie erwähnt) Koppelschlössern der Wehrmacht. Dass die Funde in die Zeit um das Kriegsende gehören, bezeugen deutsche, polnische und selten auch sowjetische Münzen mit Prägedaten der 30er und 40er Jahre sowie ein kyrillisch beschriftetes Schild mit dem Datum 22.4.1945. Die Funde, offensichtlich u. a. aussortierte „Kriegsbeute“, die mit Inschriften versehenen Alltagsgegenstände, die selbst hergestellten (aber auch regulären) Ausrüstungsteile sowie die Reste der Unterkünfte selber, mit offenbar in der Umgebung requiriertem Zubehör (z. B. Türbeschläge und anderes mehr) werfen eine Vielzahl von Fragen auf, von denen die wenigsten schon beantwortet werden können. Wahrscheinlich verbleiben in den Wäldern nur Reste, die keinen Wert mehr hatten (und die wir heute finden), nachdem die Bevölkerung der umliegenden Dörfer sich nach Abzug der Truppen alles, was noch halbwegs brauchbar war – u. a. sicher vor allem das Bauholz – (zurück)geholt hatte (vgl. dazu Stieger 2015). Quellenkritisch ist zu den Funden anzumerken, dass sie auffälligerweise fast ausschließlich aus Metall bestehen – im Gegensatz zu allen anderen „herkömmlichen“ archäologischen Perioden. Ohne Zweifel liegt das auch an speziellen Vorlieben und der Vorgehensweise der Ehrenamtlichen Metallsucher, die z. B. „kaputtes“ Porzellan uninteressant finden. Jedoch haben auch die Sondagegrabungen anderes, nicht metallisches Material nur in geringem Umfang zutage gefördert. Aber es gibt natürlich vereinzelt auch Porzellan und Glas, offensichtlich aus zivilen Haushalten und vom Reichs=Arbeitsdienst, während die Rote Armee regulär offenbar nur Blech- / Emailgeschirr mit sich führte. Hier spielten also die Vorlieben und Interessen der Ehrenamtlichen eine Rolle als Fund-Auswahl filter, bevor ihnen klargemacht wurde, dass für die Landesarchäologie alles Fundmaterial von Interesse ist. |
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Jubiläumsjahr 70 Jahre Kriegsende Im Zuge des Jubiläums „70-Jahre-Kriegsende“ im vergangenen Jahr sind diese Funde natürlich besonders aktuell. Die Reaktion der Öffentlichkeit war entsprechend, der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtete mehrfach, ebenso wie DPA sowie die Märkische Allgemeine und andere Print-Medien; nicht zuletzt nutzte der bekannte Wissenschafts-Journalist Guido Knopp für seine Produktion „Die Stunde Null“ für den TV-Sender Phoenix die Möglichkeit, aktuelle Ausgrabungsszenen zu drehen. Wir kennen – erst seit dem Jahr 2014 – mittlerweile schon über 60 solche „Waldlager“, viele davon haben auch schon Funde geliefert. Viele dieser Stellen werden auch wohl schon seit Jahren von illegalen Metallsuchern aufgesucht, wobei offensichtlich Orden mit Hakenkreuzen besonders attraktive Suchobjekte sind. Damit verbunden ist natürlich, dass diese Stellen unsystematisch „geplündert“ und zerstört werden, bevor die Landesarchäologie sie als Denkmale eingeordnet und unter Schutz gestellt hat. Auch Zerstörungen durch die normale Wald-Bewirtschaftung finden bereits statt – wenn der Forstpflug erst einmal ein solches Lager „überfahren“ hat, ist alles kaputt. Wir haben also keinen Anlass, die Erforschung der Zukunft zu überlassen, dann gibt es vielleicht bald nichts mehr zu erforschen – das gilt natürlich grundsätzlich für alle archäologischen Bodendenkmale: erst wenn wir eine neue Denkmalkategorie (wie jetzt die Waldlager der Roten Armee) einigermaßen gut kennen, können wir sie auch begründet unter Schutz stellen, um sie für die Zukunft zu erhalten. Historische Hintergründe Die neuen Funde und Befunde stammen aus dem historischen Moment des „Kampfes um Berlin“. In den Brandenburger Wäldern finden sich heute als archäologische Funde die Spuren und Hinterlassenschaften des „kleinen Mannes“, die von einer Zeit erzählen, die von Kampf und Gewalt geprägt war, von Aneignung und Auslöschung, Überwindung und Überprägung im Großen wie im Kleinen, im konkret physischen Sinne wie auch im symbolisch-weltanschaulichen Zusammenhang. Dies illustrieren eindrucksvoll Fundstücke wie Wehrmachts-Koppelschlösser mit ausgelöschtem Hakenkreuz und darüber eingeritztem Sowjetstern, und überhaupt die sehr zahlreichen, aus Blechen ausgesägten, ausgefeilten, ausgestanzten Sowjetsterne – sie stehen anscheinend für das ausgeprägte Bedürfnis der Soldaten, sich zur eigenen Selbstvergewisserung mit ihrem Sieges-Symbol zu schmücken, und es auch der Kriegsbeute aufzuprägen. Das Ganze stellt ein hochinteressantes Material dar, das man als Zeugnis von Aneignung und Überwindung deuten kann, und dies sowohl ganz konkret als auch im übertragenen Sinne – war doch der Rotarmist über Jahre auf die Überwindung und Vernichtung des Nazi-Regimes trainiert und auch psychologisch vorbereitet worden. Zu diesem Zweck war er hierher bis nach Berlin gekommen und hatte dabei unmenschliche Strapazen und Leiden auf sich nehmen müssen – wofür sich diejenigen, die es bis hierher „geschafft“ hatten, sich am militärischen Gegner wie auch an der Zivilbevölkerung glaubten entschädigen zu dürfen. Diese Vorgänge sind durch Zeitzeugen und Geschichtsforschung ausführlich überliefert und erforscht. Über die zeitweise Unterbringung umfangreicher Truppen im Wald jedoch scheint es von Seiten der historischen Forschung so gut wie nichts zu geben, jedenfalls soweit man derzeit mit herkömmlichen und digitalen Methoden recherchieren kann. Es muss ja z. B. nachvollziehbare, belegbare militärische Entscheidungen geben, die Truppen – offenbar vorübergehend – in die Wälder zu legen, doch diese militärische Quellengattung entzieht sich derzeit unserem Zugriff. Es lag nahe, das Deutsch-Russische Museum in Berlin-Karlshorst als Sachwalter der Geschichte der Roten Armee auf deutschem Boden um Mithilfe zu bitten, ebenso wie die Kollegen und Kolleginnen vom Institut für Zeitgeschichte München / Berlin. Das Buch „Iwans Krieg“ der britischen Historikerin Catherine Merridale informiert immerhin, aber nur allgemein auf der Basis von authentischen Aussagen von Zeitzeugen über die Rahmenbedingungen. Hier findet sich aber ein aufschlussreiches Foto vom Bau einer sog. Semljanka durch reguläre sowjetische Truppen 1943, noch auf russischem Boden (Merridale 2006, S. 191). Man sieht, wie zweckmäßig ausgerüstete Soldaten im Wald mit den gefällten Bäumen eine massive, halb eingetiefte Blockhütte errichten, die in allen erkennbaren Details unseren Befunden entspricht. Auch im „Deutschland-Tagebuch 1945–1946“ des ehemaligen Rotarmisten Wladimir Gelfand findet sich einiges zur Situation und den Lebensumständen der einfachen Soldaten zu dieser Zeit (Gelfand 2008). Er berichtet weniger von den Unterständen, dafür z. B. umso mehr von den allseits bekannten Bemühungen des Rotarmisten um die „Organisierung“ von Uhren und Fahrrädern – beides dank seiner Foto-Leidenschaft als gutaussehender junger Offizier in sehr aussagekräftigen Bildern dokumentiert.2 Forschungsprobleme Offene Fragen, die in der nächsten Zeit auch mit Hilfe der Historiker-Kollegen erforscht werden müssen, sind z. B.: – Warum legte man diese Waldlager an? Eventuell, um Konfrontationen mit der Zivilbevölkerung in der Stadt aus dem Wege zu gehen? – Wie kommt die so ungleichgewichtige Verteilung in Brandenburg zustande? Interessanterweise finden sie sich nicht nur östlich von Berlin, also in der Hauptstoßrichtung der 1. Weißrussischen Front, sondern häufig auch nordwestlich von Berlin in Richtung Elbe. Im Süden Berlins, wo von Südosten die 1. Ukrainische Front heranrückte, sind solche Waldlager bislang nicht bekannt. Der Grund für die Verteilung wird doch wohl kaum in den unterschiedlichen Trägern des Vormarsches liegen – Weißrussische Front im Norden, Ukrainische Front im Süden? – Warum wurden die z. T. nicht ganz wertlosen Dinge „aussortiert“ und zurückgelassen? Geschah dies auf Befehl? – Warum findet man so viel improvisierte, selbst hergestellte Ausstattung? Offenbar war die Rote Armee, was nicht verwundert, am Ende ihrer Möglichkeiten. – Wie kommt es, dass es neben der Dienstvorschrift des „Sputnik partisana“ identische Kon struktionszeichnungen in der zeitgenössischen deutschen Dienstanweisung für den Winterkrieg von 1942 gibt (Taschenbuch für den Winterkrieg 1942, S. 78)? Ist dies ein Zeugnis der intensiven Zusammenarbeit zwischen Reichswehr und Roter Armee zwischen 1918 und 1933? Immerhin gibt es Parallelen zu „unseren“ eindeutig mit der Roten Armee verbundenen Befunden aus weit entfernten Arealen, wo dies auszuschließen ist, so aus Erding in Bayern im Umfeld des dortigen großen Zwangsarbeiterlagers (Irlinger 2015) oder im Umfeld des „Reichs-Erntedankfeldes“ am Bücke berg (Mitteilung Landes archäologie Niedersachsen). Andere Eingrabungen, wie z. B. durch die Amerikaner unter Kampfbedingungen im Rheinland, sehen anders aus (Wegener 2014). – Wie lange bestanden diese Waldlager? Angesichts des „improvisierten“ Charakters werden die meisten wohl nur 1945 genutzt worden sein, doch gibt es Luftbilder der ersten systematischen sowjetischen Befliegung von 1953,3 die (soweit zu beurteilen) intakte Strukturen zeigen, insbesondere Zeltlager. Trotz – oder auch gerade wegen – der offenen Fragen präsentiert vom 22. April bis 24. Juli 2016 eine Sonderausstellung im Archäologischen Landesmuseum im Paulikloster in Brandenburg a. d. Havel mit dem Titel „Zwischen Krieg und Frieden“ in Zusammenarbeit mit dem Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst, der Gedenkstätte Seelower Höhen und dem Museum Festung Küstrin in Polen die neu entdeckten Hinterlassenschaften der Roten Armee. Bei allen genannten Partnern wird die Ausstellung im Anschluss zu sehen sein. |
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Между войной и миром. Лесные лагеря Красной армии в Бранденбурге 1945 г. Более чем через 70 лет после окончания войны в Бранденбургских лесах объявились находки, оставшиеся со времён капитуляции Германии в мае 1945 года. Чётко следуя военному регламенту, здесь, вдоль лесных дорог, были построены землянки, в которых покоятся остатки повседневной жизни красноармейцев. Оборудование, значки, опознавательные знаки военнопленных, столовая посуда и приборы, фляжки, снарядные картуши, превращенные в светильники – кое что с надписями в кириллице. О желании украсить себя символом победы свидетельствуют пряжки от ремней «вермахта» со стёртыми свастиками, на которых вырезана советская звезда. Наличие материала гражданского происхождения в виде украшений, часов, кранов для воды и частей от велосипедов подтверждает известные рассказы о тех временах. Эти находки являются свидетелями присвоений и преодолений, как в конкретном, так и символическом плане и вызывают много вопросов – исследование только началось. Literatur Gelfand 2008 – Wladimir Gelfand, Deutschland-Tagebuch 1945–1946. Aufzeichnungen eines Rotarmisten, hrsg. von Elke Scherstjanoi, Berlin 2008. Irlinger 2015 – Walter Irlinger, Dokumentation, Erfassung und öffentliche Darstellung der KZ und KZ-Aussenlager in Bayern. In: Ursula Schädler-Saub, Angela Weyer (Hrsg.), geteilt vereint! Denkmalpflege in Mitteleuropa zur Zeit des Eisernen Vorhangs und heute (ICOMOS Hefte des Deutschen Nationalkomitees 59 = Schriften des Hornemann-Instituts 16), Petersberg 2015, S. 207–216. Kersting 2015 – Thomas Kersting, Orte der Zeitgeschichte im Fokus der Landesarchäologie Brandenburg. In: Blickpunkt Archäologie 3 (2015), S. 193–199. Kersting 2016 – Thomas Kersting, Neue Bodendenkmale: Waldlager der Roten Armee 1945. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2014 (im Druck). Merridale 2006 – Catherine Merridale, Iwans Krieg. Die Rote Armee 1939–1945, Frankfurt a. M. 2006. Stieger 2015 – Klaus Stieger, Militärische Geheimnisse im Müncheberger Stadtwald (Teil 1). In: Märkisch Oderland Jahrbuch 2016, Seelow 2015, S. 31–33. Taschenbuch für den Winterkrieg 1942 – Taschenbuch für den Winterkrieg. Gekürzte Ausgabe vom 1. September 1942, Berlin 1942. Wegener 2014 – Wolfgang Wegener, Amerikanische und deutsche Feldstellungen im Hürtgenwald, Kreis Düren. In: Jürgen Kunow (Hrsg.), Archäologische Kriegsrelikte im Rheinland (Führer zu archäologischen Denkmälern im Rheinland 5), Essen 2014, S. 216–222. |
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1 http://survivalbook.ru/biblioteka-vyzhivalshhika/sputnik-partizana/#ixzz3tug4GT00 (letzter Zugriff: 9. Jan. 2016). 2 Vgl. http://www.gelfand.de/de (letzter Zugriff 9. Jan. 2016). 3 Luftbilder Befliegung von 1953: Copyright LGB Brandenburg (Landesbetrieb Geobasisinformation Potsdam). |
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Anschrift Dr. Thomas Kersting Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum Wünsdorfer Platz 4–5 D-15806 Zossen OT Wünsdorf E-Mail: thomas.kersting@bldam-brandenburg.de |
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Thomas Kersting Erdhütten im Wald: Rotarmisten zwischen Krieg und Frieden 1945 |
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