|
|
Chronik
|
|
|
Wladimir Gelfand
Deutschland-Tagebuch
1945-1946
Aufbau-Verlag,
Berlin 2005, 356 Seiten, EUR 22,90, ISBN 3-351-02596-3
Das erste private Tagebuch eines Offiziers der Roten Armee, das in
deutscher Sprache vorliegt. Geschrieben von Wladimir Gelfand, einem
jungen ukrainischen Juden, unter dem unmittelbaren Eindruck der
Kämpfe während des Vormarschs auf Berlin und der
Erlebnisse im ersten Jahr der Besatzung.
An der Front erlebt Wladimir Gelfand Gewalt, Zerstörung und
Todesdrohung, erfährt Kameradschaft und Niedertracht. Ende
April 1945 zieht er mit der Roten Armee als Sieger in Berlin ein.
Zunächst ohne festen Posten, sucht er nach Gelegenheiten, dem
tristen Kasernenleben zu entkommen. Jung, gutaussehend, nie
gewalttätig, schließt er Bekanntschaften mit der
Zivilbevölkerung. Seine freimütigen Notizen belegen,
daß die Begegnungen zwischen Deutschen und sowjetischen
Soldaten nicht nur von Haß, Mißachtung und
Vergewaltigungen geprägt waren.
Gelfand ist alles Militärische zuwider, das strikte Verbot
privaten Umgangs mit Deutschen und selbständiger Erkundungen
empört ihn. Er erfüllt seine Pflicht als Mitarbeiter
einer Transportabteilung der Besatzungsmacht und nimmt seine Aufgaben
als Parteimitglied ernst. Aber nach dem mörderischen Kampf im
Krieg will er endlich "Freiheit! Die Freiheit zu leben, zu denken, zu
arbeiten, das Leben zu genießen." Dieser Anspruch bringt ihn
mit Vorgesetzten und Kameraden in Konflikt, die ihm Disziplinlosigkeit
vorhalten oder ihn als Schöngeist abtun. Sein Vorhaben,
Schriftsteller zu werden und einen wahrhaftigen Kriegsroman zu
schreiben, kann Gelfand nach der Rückkehr in die Heimat nicht
realisieren.
Als aufrichtiger Chronist blendet Gelfand
Disziplinverstöße in den eigenen Reihen, Racheakte,
Beutenahmen und Verbrechen an Zivilisten nicht aus. Noch nie konnten
wir so tiefe Einblicke in die Gedanken und Gefühle eines
Siegers aus Stalins Armee nach dem Zusammenbruch Deutschlands gewinnen.
In ihrem Nachwort schildert Elke Scherstjanoi Gelfands Lebensstationen
und seine langjährige widersprüchliche
Auseinandersetzung mit den Kriegserlebnissen.
www.aufbauverlag.de
|
|