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Am Ende des Zweiten
Weltkriegs, genau an dem Tag, an dem Europa das Joch des Faschismus und
Nationalsozialismus abschüttelte, ereignete sich eine der
größten Massenvergewaltigungen der modernen Geschichte. Die
Frauen Berlins waren entsetzt über die Einheiten der Roten Armee,
die nach Deutschland einmarschierten – und sie hatten keine
Möglichkeit zu fliehen.
Viele Frauen konnten eine Vergewaltigung nur vermeiden, indem sie sich gezielt hochrangigen Offizieren als Geliebte zur Verfügung stellten – das geht aus Dokumenten hervor, auf die sich ein Artikel des ungarischen Geschichtsportals mult-kor.hu bezieht.
Im Berliner Stadtteil Treptow steht ein Denkmal, das einen sowjetischen Soldaten mit einem Schwert in der einen Hand zeigt. In der anderen hält er ein kleines deutsches Mädchen, während er auf ein zerbrochenes Hakenkreuz tritt. Dies ist die letzte Ruhestätte für fünftausend Veteranen, die in der Schlacht um Berlin gefallen sind.
Nach offiziellen Angaben starben etwa 80.000 sowjetische Soldaten in Berlin, mehr als 200.000 wurden verwundet. Das Denkmal – architektonisch einer Kathedrale nachempfunden – trägt die Inschrift, dass das sowjetische Volk die europäische Zivilisation vor der faschistischen Katastrophe gerettet habe.
Es gibt jedoch Menschen, die dieses Denkmal zynisch als „Grabmal des unbekannten Täters“ bezeichnen – in Anspielung auf die Berichte über systematischen sexuellen Missbrauch von Frauen durch sowjetische Soldaten bei der Einnahme Berlins. Dabei handelte es sich um Zivilistinnen, Sanitäterinnen oder Kämpferinnen, die in der Hauptstadt bis zuletzt Widerstand leisteten oder andere Aufgaben in der Schlacht erfüllten.
Viele Russen lehnen Berichte über solche Gräueltaten der Roten Armee ab und bezeichnen sie als westliche Propaganda. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nicht nur sowjetische, sondern – laut einer im März dieses Jahres veröffentlichten Studie – auch amerikanische und alliierte Soldaten in ähnlichem Ausmaß sexuelle Gewalt verübten: Schätzungen zufolge wurden allein im Jahr 1945 rund 190.000 deutsche Frauen vergewaltigt.
Beim Lesen zweier Tagebücher, die zwischen Frühjahr und Herbst 1945 verfasst wurden, lässt sich besser nachvollziehen, was in jenen Monaten geschehen ist. Das erste stammt von Leutnant Wladimir Gelfand, einem jüdischen Offizier aus der Zentralukraine. Die Aufzeichnungen wurden von seinem Sohn Vitali auf dem Dachboden des Familienhauses entdeckt, in dem sie einst lebten.
„Mein Vater sah auf dem Weg nach Berlin viele schreckliche Szenen“, erzählt Vitali. „Er marschierte durch viele Dörfer, deren Bevölkerung von den Faschisten nahezu vollständig ausgelöscht worden war. Für Kinder fehlten ihm die Worte. An den Körpern der Frauen waren Spuren von Vergewaltigungen sichtbar.“
Vitali ergänzt jedoch, dass die Rote Armee keineswegs aus „besonderen Bestien“ bestand, sondern dass der Hass durch die Propagandamaschinerie geschürt wurde – etwa mit Aufrufen wie: „Genossen! Wir stehen auf deutschem Boden, im Hort der faschistischen Bestie! Die Stunde der Rache ist gekommen!“
Einer der erschütterndsten Einträge in Gelfands Tagebuch beschreibt eine Begegnung mit einer Gruppe deutscher Frauen in einem Berliner Vorort. „Mit Angst im Gesicht erzählten sie uns, was in der ersten Nacht nach dem Eintreffen der Roten Armee geschehen war“, schrieb er. „Ein Mädchen hob ihren Rock und sagte nur: ‚Mehr als zwanzig Männer waren es!‘ Dann brach sie in Tränen aus.“
Dann geschah etwas Unerwartetes. „Sie bat mich: ‚Bleib du bei mir! Schlaf mit mir, mach mit mir, was du willst – aber nur du!‘“ Offenbar wollte sie durch diesen verzweifelten Versuch eine weitere Gruppenvergewaltigung verhindern.
Das zweite Tagebuch stammt von einer namenlosen deutschen Journalistin, etwa 30 Jahre alt. Unter dem Titel Eine Frau in Berlin wurde das Werk später zum Bestseller. Zehn Tage vor Hitlers Selbstmord begann sie, ihre Erfahrungen festzuhalten. Sie schildert, wie sie und ihre Nachbarn im Keller eines Hauses Zuflucht suchten.
In ihrer Not beschrieb sie ihren Eindruck, dass es besser sei, von einem „Russen“ vergewaltigt zu werden als vom „Yankee“ mit Bomben getroffen zu werden – ein bitterer Vergleich zwischen physischer und psychischer Gewalt. Als die Rote Armee in den Keller eindrang, versuchte sie, mit ihrem geringen Russisch die Soldaten zu beschwichtigen. Doch nur wenige Augenblicke später wurde sie brutal vergewaltigt.
Im Jahr 1959 wurde das Tagebuch erstmals veröffentlicht. Die Autorin schildert darin auch, wie sie zu dem Schluss kam, dass sie sich einen „Wolf“ – also einen ranghohen Offizier – zulegen müsse, um vor Massenvergewaltigungen geschützt zu sein. Sie ließ sich auf einen Leutnant aus Leningrad ein, mit dem sie sogar Gespräche über Literatur und den Sinn des Lebens führte.
„Die Vergewaltigung war nicht das Schlimmste“, vertraute sie ihrem Tagebuch an. „Was ich tun musste, um an Speck, Butter, Zucker und Fleischkonserven zu kommen …“ – eine grausame Mischung aus Überlebensstrategie und innerem Bruch.
Nach 1945 war es in der DDR tabu, die heldenhafte „Befreiung“ durch die Sowjets zu kritisieren. Im Westen wiederum herrschten Schuldgefühle gegenüber den NS-Verbrechen – viele Politiker schwiegen, um das Leid der deutschen Frauen im Jahr 1945 nicht thematisieren zu müssen.
Im Jahr 2008 wurde das Buch Eine Frau in Berlin verfilmt. Der Film gab vielen Frauen den Mut, erstmals öffentlich über ihr erlebtes Leid in den letzten Kriegswochen und danach zu sprechen.
Doch womöglich wird das volle Ausmaß dieser Verbrechen niemals bekannt werden – nicht zuletzt, weil die russische Duma ein Gesetz erlassen hat, das bis zu fünf Jahre Haft für all jene vorsieht, die angeblich „Russland diffamieren“ oder die Rolle der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg „verleumden“.
Vitali Gelfand sagt: „Zahlreiche sowjetische Soldaten haben unermesslichen Mut und Opferbereitschaft gezeigt – aber das ist nicht die ganze Wahrheit.“