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Bild: Deutsche Truppen
in Ostpreußen, 15. Januar 1945
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Der Krieg erreicht die Oder
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Nach ihrer Sommeroffensive 1944 blieb die Rote
Armee entlang der Weichsel und der damaligen Ostgrenze des Deutschen
Reiches auf einer 2.200 Kilometer breiten Front stehen. Die Lage im
Osten änderte sich bis Mitte Januar 1945 nicht wesentlich. |
Dies wertete die deutsche politische und
militärische Führung fälschlicherweise als
Indiz für Spannungen zwischen den Alliierten und für
logistische sowie operative Schwierigkeiten der Roten Armee. |
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Bereits am 24. Dezember 1944
verwies General Guderian während einer Lagebesprechung mit dem
Oberbefehlshaber der Wehrmacht auf eine unmittelbar bevorstehende
sowjetische Großoffensive. Auf seine sachliche Darstellung
antwortete Hitler: "Das ist der größte Bluff seit
Dschingis Khan. Wer hat diesen Blödsinn ausgegraben?" |
Gegen den Rat Guderians, die
Ardennenoffensive abzubrechen und alle entbehrlichen Kräfte
von der Westfront an die Weichsel zu verlegen, unterließ
Hitler eine Verstärkung der Weichselfront. Er wollte unter
allen Umständen das von der Roten Armee eingeschlossene
Budapest entsetzen und die ungarischen Ölfelder verteidigen. |
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Die Wehrmacht hatte zu Beginn des
Jahres 1945 noch rund 10 Millionen Mann unter Waffen. Nur der geringere
Teil des Personalbestandes, nämlich 1,84 Millionen Soldaten,
stand an der Ostfront. |
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Seit dem Sommer 1944 arbeitete der
sowjetische Generalstab an der Planung von Operationen auf deutschem
Territorium. Die strategische Planung sah für den Winter und
das Frühjahr 1945 eine abschließende Offensive in
zwei Phasen vor. Ziele waren dabei: |
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- In der ersten Phase ein konzentrierter
Vorstoß von 250 bis 300 Kilometern in westliche Richtung.
Dabei waren die Kampfkraft der deutschen Verbände entscheidend
zu schwächen und die Linie Weichselniederung –
Bromberg – Posen – Mährisch-Ostrau zu
erreichen.
- Nach einer kurzen Pause sollte die zweite Phase
erfolgen, um die Reichshauptstadt Berlin einzunehmen.
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Die Überlegenheit der in
Ostpreußen und Polen angreifenden sowjetischen Fronten (1.,
2. und 3. Belorussische, 1. Baltische und 1. Ukrainische Front) war
eindeutig. Sie verfügten über insgesamt 55
Infanteriearmeen, 6 Panzerarmeen sowie 35 selbstständige
Panzer- und mechanisierte Korps mit insgesamt ca. sechs Millionen
Soldaten. Die im Zentrum stehenden 1. Belorussische Front und 1.
Ukrainische Front erhielten eine entscheidende Rolle, da sie am
schnellsten das Zentrum des Dritten Reiches erreichen konnten. |
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Weichsel – Oder –
Offensive
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Bild: Die rote Armee
östlich der Oder, Januar 1945
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Am 12. Januar 1945 begann der sowjetische
Angriff durch die 2. Belorussische Front. Drei Tage später
begannen die beiden im Zentrum stehenden Fronten mit der
"Warschau-Posener-Operation" bezeichnet, die später zur
"Weichsel-Oder-Operation" ausgeweitet wurde. |
Die 1. Belorussische und die 1. Ukrainische
Front standen mit ca. 2,2 Millionen Soldaten, 35.000
Geschützen, Granat- und Geschosswerfern, über 7.000
Panzern und Selbstfahrlafetten sowie 5.000 Kampfflugzeugen der
Heeresgruppe A gegenüber. |
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Die Heeresgruppe, die an Personal
und Material nicht mehr voll aufgefüllt war, verfügte
über einen Kampfbestand von 93.000 Mann, 1.813
Geschütze, 793 Panzerabwehrkanonen, 318 Panzer und 616
Sturmgeschütze. Diese Kräfte sollten einen 700
Kilometer breiten Streifen verteidigen. |
Nach sowjetischen Quellen betrug
die Überlegenheit der Roten Armee bei Personal das 5,5-fache,
bei gepanzerten Fahrzeugen das 6,2-fache, bei der Artillerie das
8,8-fache und bei Flugzeugen das 4,5-fache. Dieser Vergleich ist nur
ein quantitativer, da die Wehrmacht nur noch über wenig
Treibstoff und Munition verfügte. |
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Nach schweren
Feuerschlägen der Artillerie (Artilleriedichte ca. 200 Rohre
pro Frontkilometer) durchbrachen die 1. Belorussische und die 1.
Ukrainische Front Mitte Januar 1945 die Verteidigung der Heeresgruppe A
auf einer Breite von 500 km. Im Zentrum der deutschen Verteidigung
stand an der Weichsel auch die 9. Armee, die wenige Monate
später an der Oder verteidigte. |
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Bild:
Panzerjäger auf dem Weg zur Front |
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Der stellvertretende Artilleriekommandeur, Georg
Migge, schreibt in seinem Tagebuch am 14. Januar 1945:
"Der Sturm bricht los! 6.30 Uhr Beginn des fdl.
(feindlichen) Trommelfeuers im Pulawy-Brückenkopf, 6.35 Uhr im
Magnuszew-Brückenkopf in unerhörter Stärke.
Um 7.30 Uhr kann mit beiden Arkos (Armeekorps) sprechen. Das fdl. Feuer
erfasst im Allgemeinen die vordere Linie, die Verbindungen per Draht
sind bereits zum Teil mit den Feuerstellungen unterbrochen
…"
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Und am 17. Januar 1945:
"Die Lage ist sehr ernst geworden, sie spitzt sich stündlich
weiter zu … Da an der Front fast die ganze Artillerie
geplatzt ist, habe ich gestern vom O. B. (Oberbefehlshaber) den Auftrag
erhalten, die zersplitterten nach rückwärtsflutenen
Teile der Artillerieverbände aufzufangen und zu organisieren
… Man kann von einer teilweisen Auflösung
sprechen." |
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An keiner Stelle gelang es, noch einmal eine
Verteidigung aufzubauen. Die 9. Armee verfügte am 27. Januar
1945 noch über 52.000 Mann, davon 26.000
Volkssturmangehörige, ca. 190 Panzer und
Sturmgeschütze und 288 Rohre Artillerie. |
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Bild: Marschbataillon
in Ostbrandenburg
(Quelle: Video "Schlachtfeld..." bzw. "Roter Sand")
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Der Durchbruch der sowjetischen Fronten durch
die Verteidigung der Heeresgruppe A erfolgte schneller als geplant. |
Ursprünglich war – laut
Marschall Shukow – ein Vorstoß über Posen
nicht geplant. Marschall Shukow entschloss sich, die Offensive bis zur
Oder fortzusetzen, um ein Festsetzen des Gegners zu verhindern. |
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Zu diesem Zeitpunkt hatte die Oder
noch eine geschlossene Eisdecke, die die Rote Armee zum
Übersetzen der schweren Waffen nutzen wollte. Starke
Vorausabteilungen erreichten Ende Januar und Anfang Februar 1945 die
Oder und bildeten mehrere Brückenköpfe. Zu diesem
Zeitpunkt standen an der Oder keine kampfkräftigen deutschen
Truppen bereit. Eine Abwehrfront wurde erst gebildet, als die Rote
Armee bereits mit starken Kräften westlich der Oder stand. |
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Die
Brückenköpfe südlich und nördlich
von Küstrin
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Als Vorauskräfte der 5.
Stoßarmee am 31. Januar 1945 die Oder überschritten
und den Brückenkopf Kienitz bildeten, waren keine
kampffähigen deutschen Einheiten in der näheren
Umgebung verfügbar. |
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Bild: Sowjetische
Soldaten am 120 mm - Regimentsgranatwerfer |
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Der Angriff vom 1. Februar 1945 mit zwei schnell
herangeführten Alarmbataillonen blieb erfolglos. Nicht nur
hier, sondern auch bei Groß Neuendorf, Güstebiese
und Genschmar entwickelten sich in den folgenden Tagen verlustreiche
Kämpfe.
Der sowjetische Leutnant Gelfand schreibt Anfang
Februar 1945 in sein Tagebuch:
"Wir bewegen uns in Richtung Fluss, wo gerade sehr schwere Gefechte
stattfinden. Über unseren Köpfen kreisen die
feindlichen Jäger und aus ihren großkalibrigen
Maschinengewehren peitschen Explosivgeschosse in manchmal langen,
öfter aber kurzen Salven. Der Gegner hat uns mit seinem
Widerstand völlig mürbe gemacht. In den
Schützenkompanien ist jetzt die Hälfte der
Mannschaften kampfunfähig … Ich war klitschnass und
zitterte am ganzen Leib. Die Erdhütte, die ich einen halben
Tag als eine Art Tunnel im Bahndamm ausgehoben hatte, ist unter den
einschlagenden Geschossen eingestürzt, und es war mein
Glück, dass ich in dem Augenblick Kopf und meinen Rumpf hinaus
gesteckt hatte, sonst wäre ich unter dem Eis und der Erde
erstickt …"
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Ähnlich war die Lage zwischen dem 1.
und 3. Februar 1945 bei der Bildung weiterer
Brückenköpfe bei Reitwein und Lebus. Hier standen
zunächst nur ein Reichsarbeitsdienst-Bataillon, eine
SS-Artillerieabteilung, ein Alarmbataillon und zwei Bataillone
Volkssturm zur Verfügung.
Besonders um die Orte Wuhden, Klessin (Link: Stern) und Podelzig wurde
lange und verlustreich gekämpft. |
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Bild: Sowjetische
Soldaten bauen eine Behelfsbrücke |
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Bild: Deutsche
Gegenangriffe im Oderbruch |
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Die noch im Aufbau befindliche 9. Armee hatte
nur unzureichende Kräfte für eine durchgehende
Verteidigung der Flusslinie zur Verfügung.
Im Abschnitt der Festung Küstrin und der zur Festung
erklärten Stadt Frankfurt (Oder) konnten die Wehrmachtstruppen
einige Brückenköpfe auf dem Ostufer halten. Die Front
blieb zwei Monate lang an der Oder stehen. |
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Die Festung
Küstrin
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Schwere Kämpfe wurden von Anfang
Februar bis Ende März um Küstrin geführt. |
Die Stadt, bei der viele wichtige
Eisenbahnlinien und Straßen zusammenliefen, war von Hitler im
Januar 1945 zur Festung erklärt worden und sollte "wie im
Siebenjährigen Krieg" gehalten werden. |
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Bilder: Festungskommandant
Reinefarth; Verlustreicher Straßenkampf in
Küstrin
Festungskommandant wurde SS-Gruppenführer Reinefarth. Anfang
Februar wurde die Stadt mit den Tausenden Soldaten und Zivilisten
eingeschlossen. Durch einen Angriff von Teilen der 21. Panzerdivision
konnte am 7. Februar eine zwei Kilometer breite Verbindung bis
Küstrin freigekämpft werden. Durch diese gelangten
viele Zivilisten und verwundete Soldaten aus der Stadt. Gleichzeitig
konnten die Wehrmachtstruppen versorgt werden. |
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Am 22. März 1945
führten Truppen der 5. Stoßarmee und der 8.
Gardearmee einen konzentrierten Angriff in Richtung Gorgast –
Manschnow mit dem Ziel, den südlichen und nördlichen
Brückenkopf zu vereinigen und zu erweitern sowie die Festung
Küstrin vollständig einzuschließen. |
Am 27. März 1945 führten
mehrere deutsche Divisionen einen Entsatzangriff auf Küstrin
durch, um die dort eingeschlossene Gruppierung zu befreien und den
nördlichen Teil des sowjetischen Brückenkopfes zu
beseitigen. Diese erfolglosen Angriffe waren äußerst
verlustreich. |
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Bild: Kämpfe
in Küstrin |
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Der Kampf um Küstrin endete mit dem
Ausbruch der Reste der Besatzung am 30. März 1945. Von den
Anfang Februar 1945 vorhandenen etwa 10.000 Festungssoldaten erreichten
nur ca. 1.000 die eigene Linie bei Golzow. |
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Bild: Hitler zum
letzten Mal an der Front |
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Am Ende der Kampfhandlungen war die
Küstriner Altstadt fast vollständig, die Neustadt zu
92 % und Kietz zu 98 % zerstört. Genaue Zahlen über
personelle Verluste werden wohl immer ein Geheimnis bleiben. |
Auf deutscher Seite dürften es 5.000
Gefallene sowie 9.000 Verwundete gewesen sein. Etwa 6.000 deutsche
Soldaten gerieten in Gefangenschaft. Auch auf sowjetischer Seite gab es
etwa 6.000 Tote und 12.000 Verwundete. |
Hitler hielt sich im März 1945
für wenige Stunden an der Oderfront auf. Das Foto zeigt ihn
beim Stab des CI. Armeekorps im Schloss Harnekop. Rechts neben Hitler
steht der General der Infanterie Busse. |
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Fazit der Handlungen
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Die Kämpfe um die
Brückenköpfe und die Festung Küstrin
gestalteten sich im Prinzip zu verlustreichen
Stellungskämpfen. Vergleichbar mit denen bei Verdun im Ersten
Weltkrieg. Die Heeresgruppe Weichsel konnte die gestellten Aufgaben
– Beseitigung der Brückenköpfe und
Errichtung einer durchgehenden Frontlinie auf dem Westufer der Oder
– nicht erfüllen. |
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Bild: Karte
Brückenkopf Ende März 1945 |
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Die Verluste waren auf beiden Seiten
beträchtlich. Bereits während der Kämpfe um
die sowjetischen Brückenköpfe vom 1. Februar bis zum
15. März verlor die 9. Armee 35.375 Mann (darunter 3.977
Gefallene, 18.848 Verwundete und 12.550 Vermisste). In diesen Zahlen
sind die für beide Seiten äußerst
verlustreichen Kämpfe vom 22. März 1945 (Erweiterung
und Vereinigung der beiden sowjetischen Brückenköpfe)
und vom 27. März 1945 (deutsche Angriffe auf Küstrin)
nicht berücksichtigt. |
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